Nachschlag. Kreatives schreiben – Teil 3.

Ihr Lieben,

bei meinem vorletzten Blogbeitrag über meine inspirierenden Schreiberfahrungen bei der Tagung des Segeberger Kreis ist mir aufgefallen, dass ich gar nicht über die digitale Tagung des Vorjahres berichtet habe.

Thema war damals Schwellen, auch in Anlehnung an die Hürde, eine ganze Tagung online abzuhalten…
Ich habe mich der Gruppe meines BKS-Kommilitonen und Blogger-Kollegen Urs Küenzi angeschlossen, weil mich schon allein der Titel „Schwellenfiguren – Wie Untote schreiben“ zum Schmunzeln gebracht und neugierig gemacht hat.

Ich mochte meine Gruppenmitglieder sehr. Trotz der Schwelle des Bildschirms zwischen uns sind wir sehr gut in einen anregenden, kreativen Austausch gekommen. Ein bisschen lag das vielleicht auch an dem Spannungsverhältnis, das so entstand, denn obwohl wir voneinander getrennt waren, waren wir alle gleichzeitig auch ein Stück weit direkt in den Wohn- oder Schreibzimmern der anderen…
Und zusätzlich hat das Schreiben in den heimischen vier Wänden auch einige Schreibübungen überhaupt erst möglich gemacht.

Zum Beispiel die Übung „Leichen im Keller“. Dazu sind wir losgezogen, haben unsere Keller, Böden und verstaubten Ecken nach dort vergrabenen Gegenständen durchforstet, von denen wir uns – aus welchen Gründen auch immer – nicht so richtig zu trennen vermochten.
Wir haben diese in Vergessenheit geratenen Dinge zurück ans Licht gehoben und sie als Schreibimpuls wiederbelebt:

Kartonleichen

In der Kiste
Bilder & Kassetten,
eine Kassette bebildert mit deinem Gesicht,
darauf Musik,
ein paar deiner liebsten Lieder.
Wir betteten dich zwischen sie.
Erschaudern noch heute, wenn sich eines von ihnen
durch den Äther schwingt.
Die kleinen Sprachkassetten liegen der quere,
auf einer davon ein Echo von dir,
seit 20 Jahren ungehört.
Ich nehme Batterien & meinen Mut zusammen
& füttere das beiliegende Abspielgerät,
doch es schweigt,
hat wohl selbst schon vor Jahren
den Geist aufgegeben.
Ein Elektroschrottgespenst.
Den Witz wüsstest du bestimmt zu schätzen.

Auch die Collage im Beitragsbild und der von ihr inspirierte Text wären in einem anderen Setting wohl so nicht entstanden.
Wir hatten uns vorgenommen, es Vampiren und Zombies gleichzutun und Texte auszusaugen oder regelrecht zu zerfleddern und das erbeutete Material weiterzuverarbeiten.

Ich habe dazu Zeitungsartikel und ja, auch einige Bücher, die ich bereit war zu entbehren, zuerst einmal zu Schnipseln zerrissen. Das hat mich zugegebenermaßen anfangs doch einige Überwindung gekostet, kippte aber mit jedem Reißen mehr und mehr in einen kleinen erquicklichen Rauschzustand. 😉
Die Schnipsel – plus zwei weitere aus meiner Überschriften-Schnipselkiste – habe ich wahllos auf ein Blatt Papier geklebt, wobei sich zufällig oder unterbewusst (?) die Herzform ergeben hat. Ich habe das dann aufgegriffen und mittels der farbigen Schnipsel noch betont.
Im nächsten Schritt habe ich meinen Blick über die Schnipsel gleiten lassen und habe einzelne Worte und Wendungen, die mich „anzupften“, mit einem roten Stift eingerahmt. Diese waren dann wiederum die Impulsgeber für einen kleinen Text:

Sie bricht die Schattenseiten

Gegen die Stille
bringe ich Euch
                     Orkane/Torffeuer
ich expandiere Musik
Warnsignale im erdunkelten
                                        Spektrum
& zuckend lächelnde
                                Fäuste
recke ich dem
         schweigenden Herz
         entgegen,
bäume mich auf:
            Noch immer am
                                    Leben!

Gerade im Rückblick muss ich sagen, diese digitale Tagung war anders und wir haben so einiges vermisst, aber dennoch war es wieder eine schöne, inspirierende und erinnerswerte Erfahrung.
Wer noch mehr darüber wissen und viele weitere Schreibanregungen kennenlernen möchte, findet all das im Segeberger Brief No. 103.

Viel Spaß beim Schreiben und Auspropieren!

Alles Liebe für Euch, bis bald
Eure Mo…

2 Kommentare zu „Nachschlag. Kreatives schreiben – Teil 3.“

  1. Hat dies auf Mia.Nachtschreiberin. rebloggt und kommentierte:
    Liebe Mo,
    ich habe mit Online-Schreiben mit anderen sehr ähnliche Erfahrungen gemacht. Auch wenn die Präsenz-Nähe fehlte, entstand doch eine andere Nähe, die andere Aspekte hervorgekramt hat, so wie ihr spannende Dinge hervorgekramt und weiterverarbeitet habt.
    Liest sich so spannend, das ich das jetzt mal bei mir nachkramen, schreiben und reißen werde.
    Danke für diesen Schreibtipp.
    Dir einen schönen Sommer.
    Sabine

    Gefällt 1 Person

    1. Liebe Sabine, vielen Dank! Und ja, probiere das auf jeden Fall mal aus. Ich kann noch empfehlen, die Zeit etwas zu beschränken, sonst artet das Reißen möglicherweise aus. 😉 Bei uns war zerfleddern und schreiben zusammen glaube ich eine Stunde.
      Ich freu mich, wenn du mir von deinen Erfahrungen berichtest!
      Liebe Grüße
      Mo…

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